Ist das gerade wirklich passiert? Zitternd steige ich von meinem Fahrrad. Ich schaue an meinem Bein herunter und entdecke ein etwa ein Zentimeter großes Loch direkt am Schienbein. Er hat mich gebissen....
Was war passiert? Ich war gerade auf dem Rückweg meiner Feierabendrunde durch ein Wohngebiet und rollte die Straße entlang. Ein Hundebesitzer sprach mit einem anderen Hundehalter an dessen Gartenzaun auf der gegenüberliegenden Seite der Straße. Als der Hund des dort wohnenden Hundehalters mich von weitem sah, fing er an zu bellen. Der Hund des davor stehenden Hundebesitzer stand neben diesem und schaute zu mir rüber. Von einer Gefahr bin ich in diesem Moment nicht ausgegangen. Erst als ich näher kam, rannte der Hund plötzlich los, bellte und sprang auf mich zu. Als ich bremste, schnappte er nach meinem Bein. Völlig ungläubig stieg ich ab und realisierte erst jetzt, dass er mich tatsächlich erwischt hatte. Die beiden Hundebesitzer waren wohl genauso überrascht. Sie halfen mir dann sofort, versorgten mich erst einmal mit einem Kühlakku und ich rief einen Krankenwagen, da die Wunde offen und recht tief war.
Der Grund für die Attacke war mir nicht so richtig klar. Der Hundebesitzer nimmt an, dass sein Hund dem dort wohnenden Hund helfen wollte, der ja nicht über den Zaun konnte. Warum er seinen Hund nicht an die Leine genommen hat, konnte er mir jedoch auch nicht so genau sagen.
Der erste Schock ist vorbei und ich hatte ein paar Tage Zeit mir zu überlegen, ob und wie ich diesen Artikel schreibe.
Begegnungen mit Hunden war schon zuvor immer wieder ein Thema, da es bei unserem Sport oft dazu kommt.
Was mich nun zu diesem Artikel bewegte, ist nicht nur der Umstand, dass mich dieses Thema nun noch mehr beschäftigt und ich mir sehr unsicher bin wie ich mich künftig gegenüber Hunden verhalten soll, sondern auch ein paar der Kommentare unter dem sehr knappen Zeitungsartikel den die örtlichen Zeitung in einem sozialen Netzwerk veröffentlichte.
Leider wurde der Vorfall nicht sehr ausführlich geschildert, was natürlich viel Spekulationsraum lässt. Eigentlich wollte ich die Kommentare gar nicht lesen, aber wenn mal selbst davon betroffen ist, kann man irgendwie nicht anders. Teilweise etwas schockiert von Kommentaren wie "...die ist bestimmt viel zu dicht und zu schnell an dem Hund vorbei gefahren" über "... dann kommen die ach so armen Radler mit ihren nicht zugelassenen Rädern an dir vorbei gerast... aber die bösen Hunde" bis hin zu " wenn man mit dem Fahrrad zu langsam ist, ist man selber Schuld" oder "Schadensersatz, Schmerzensgeld...der Hund muss eingeschläfert werden" war hier alles dabei. Wilde Spekulationen. So wenig Toleranz füreinander, eigentlich sehr traurig...
Mit diesem Blogeintrag möchte ich ein paar Gedanken zum Thema "Begegnungen mit Hunden" sammeln. Er soll keinerlei Wertung oder Verhaltensregel für Radfahrer oder Hundehalter darstellen aber vielleicht findet sich der ein oder andere Tipp für Euch und für eure nächste Begegnung wieder.
Die meisten Begegnungen mit Hunden hatte ich seither auf Waldwegen. Meine bisherige Vorgehensweise war wie folgt:
Ich drossele mein Tempo, mache auf mich aufmerksam und fahre langsam weiter bis ich mir sicher bin, dass der Hund unter Kontrolle ist. Beim Vorbeifahren folgt ein "Dankeschön" an den Hundebesitzer und meist kommt ein "bitte gerne" zurück.
Bis jetzt hat das eigentlich immer super geklappt.
(Diese Vorgehensweise klappt seither übrigens auch wunderbar bei anderen Freizeitteilnehmern wie Spaziergängern, Wanderern, Joggern oder Reitern).
Aber ist das denn die richtige Vorgehensweise?
Gute Frage!
Ich habe mich in den letzten Tagen viel über dieses Thema unterhalten und hierzu ein paar der Gedanken und Tipps von Hundebesitzern und Radfahrern gesammelt:
"Hundehalter die ihre Hunde frei laufen lassen, sollten auch 100% zuverlässig auf ihre Hunde einwirken können... Im Prinzip sollen ja alle Outdoormenschen im Wald ihre Berechtigung haben aber niemand soll niemanden gefährden. Daher sollten eben gerade Hunde an die Leine die nicht kontrolliert werden können. Natürlich müssen wir auch langsam machen um die Hunde nicht zu erschrecken"
(Jani, Radfahrerin)
"Wenn ein Radfahrer einem Hundeführer begegnet, dann soll er sich bemerkbar machen! Besonders wenn er von hinten kommt. Er sollte größtmöglichen Abstand zum Hund herstellen. Der Hundeführer sollte dem Hund befehlen die vom Radfahrer abgewandte Seite im "Beifuss" des Hundeführers einzunehmen, um sich zwischen Radfahrer und Hund zubringen. Das schafft erstens Sicherheit für den Radfahrer und zweitens kann sich der Hund nicht erschrecken, was gegebenfalls eine Abwehrreaktion zur Folge hätte." (Mirko, Hundehalter und Radfahrer)
"Fahrradfahrer sollten abbremsen und kontrolliert an dem Hund vorbei fahren, nicht mit vollem Tempo. Dabei den Hund im Auge behalten. Hundehalter sollten (je nach dem ob der Hund angeleint ist) ihren Hund zu sich rufen und durch einen Griff an das Halsband oder Geschirr sicherstellen, dass der Hund nicht losrennen kann oder falls der Hund an der Leine ist, diese verkürzen."
(Bianka, Radfahrerin)
"Bei einer Begegnung zwischen Fahrradfahren und Hund sollte der Radfahrer auf jeden Fall langsam und wenn möglich mit Abstand auf den Hund zufahren bzw. vorbei fahren ggf. absteigen, da man nie weiß wie der Hund reagieren wird. Nicht jeder Hund mag Radfahrer. Natürlich gehört es sich als Hundehalter, seinen Hund entsprechend der Situation unter Kontrolle zu halten, in dem er angeleint, zurückgerufen oder festgehalten wird. Hier spielt das Wesen und der Erziehungsgrad des Hundes eine Rolle, die nur der Halter richtig einschätzen kann und demensprechend handeln sollte um drohende Gefahrensituationen zu vermeiden."
(Suse, Radfahrerin und frühere Hundebesitzerin)
"Radfahrer sollten anhalten/langsam werden und warten bis der Hund an der Leine bzw. fest beim Halter ist. Der Halter sollte den Hund so schnell es geht fest machen und sichern egal wie gut der Hund hört."
(Lukas, Radfahrer und öfter mit Hunden unterwegs)
"Mein Grundsatz ist, dass ich immer vorausschauend mit meinen Hunden laufe und den Radlern schon von weitem zurufe. Kommunikation ist alles. Tipp für den Radfahrer: Vorausschauend fahren und sich rechtzeitig bemerkbar machen, damit der Hundebesitzer noch eingreifen kann. Vielleicht auch nicht im schnellen Tempo daran vorbei fahren. Für den Hundebesitzer gilt im Prinzip das Gleiche. Im Ort den Hund an der Leine halten."
(Simone, Hundehalterin)
"Da bei vielen Rassen oder auch Mischlingen Triebe stärker oder schwächer ausgeprägt sind ist auch nicht immer zu sagen wie, wann und ob Hunde auf Fahrradfahrer reagieren. Ein Jagd- und Beutetrieb tritt eher beim wegfahrenden Radler auf, ein Schutztrieb eher beim sich näherndem Fahrradfahrer. Radfahrer sollten keine hektischen Bewegungen machen um einen eventuellen Jagd-, Beute- oder Schutztrieb auszulösen, der doch bei vielen Hunderassen sowie Mischlingen vorhanden ist. Grundsätzlich sollte der Hundehalter seinen Vierbeiner aber immer angeleint haben, wenn sich Fahrradfahrer oder Fußgänger nähern, denn selbst sonst total friedliche Hunde können bei bestimmten Situationen in dieses Triebverhalten fallen. Hundehalter können meines Erachtens das Verhalten ihres Vierbeiners nicht immer vorhersehen auch wenn sie meinen ihren Hund gut zu kennen. Für uns unverfängliche Situationen können von einem Hund ganz anders aufgenommen werden. Auch wenn viele Hundehalter meinen ihr Tier denkt menschlich, so sind wir Menschen und der Hund ist eben ein Tier."
(Georg, ehemaliger Hundezüchter)
Mein Fazit aus der bisherigen Vorgehensweise sowie den Gedanken und Tipps:
Als Radfahrer sollte man möglichst vorausschauend fahren, sich im angemessenen Tempo Tier und Mensch nähern und genügend Abstand halten, so dass sich Hund und Besitzer nicht erschrecken und der Hundehalter genügend Zeit hat seinen Hund an die Leine zu nehmen oder ihn kontrolliert bei sich zu haben. Im Zweifelsfall kurz anhalten und warten. Doch nicht immer können Radfahrer und Hundehalter die Situation richtig einschätzen. Deshalb ist es um so wichtiger, dass der Hundebesitzer seinen Hund gut kennt und jederzeit auf ihn einwirken kann. Dazu gehört auch, dass er im Zweifelsfall vorab die entsprechenden Maßnahmen trifft, so dass man sich als Radfahrer darauf verlassen kann sicher passieren zu können. Hilfreich hierbei ist Kommunikation zwischen beiden Parteien. Der Radfahrer kann so auf sich aufmerksam machen und der Hundehalter kann den Radfahrer gegebenenfalls bitten kurz zu warten. Ein netter Gruß und ein Dankeschön auf beiden Seiten darf natürlich nicht fehlen.
Wichtig sind Toleranz und Respekt! Das gilt für uns Fahrradfahrer genauso wie für die Hundehalter oder auch Spaziergänger, Wanderer, Jogger und Reiter. Wir alle haben ein Ziel, wir möchte die Natur genießen, unseren Sport treiben oder zur Ruhe kommen. Und das alles möglichst sicher und ohne Gefahr.
Ich danke allen die sich mit mir mit diesem Thema beschäftigt haben und wünsche Euch immer gute und nette Begegnungen!